
Klein aber oho ...
Nun heißt es: Ruhe bewahren, die Kinder können ja schließlich nichts dafür.
Oder doch? Setzt das Baby die Brüllattacken bewusst ein, um Mama oder Papa zu ärgern? Wird der Zweijährige aggressiv, weil er seinen Eltern eins auswischen will? Vorsicht: Trauen Sie Ihrem Kind ruhig viel zu, aber nicht alles! Vor allem die ganz Kleinen schreien, kreischen und brüllen nur, weil sie noch nicht reden können und irgendwie auf sich aufmerksam machen müssen. Klar, wechseln die Babys sofort vom Weinen ins Lachen, wenn Mama doch wieder zum Bettchen kommt. Das aber, weil sie sich freuen, dass Mama wieder da ist und verstanden hat, dass es jetzt ganz viel Nähe braucht. Nicht, weil der kleine Hosenmatz die Mama reinlegen möchte oder schon Aggressionen zeigen will. Kinder leben ganz nach ihren Bedürfnissen und je älter sie werden, desto mehr spüren sie, dass nicht alles so läuft, wie sie es gerne wollen. Als Baby werden (möglichst) alle Bedürfnisse von den Eltern sofort und immer erfüllt: Trinken bei Hunger, Kuscheln bei der Suche nach Geborgenheit, Tragen bei dem Wunsch nach viel Körperkontakt. Werden die Säuglinge dann mobiler, beginnen sie mit dem Krabbeln, so stoßen sie zum ersten Mal an ihre Grenzen: Ein Stuhl ist im Weg, eine Flasche lässt sich nicht öffnen und die großen Geschwister sind viel schneller. Frust baut sich auf und die Kleinen werden unzufrieden und nörgelig.
Erste Wutanfälle können hier schon auftreten
Von echten Trotzanfällen und Aggressionen spricht man allerdings erst etwas später. Je nach Kind beginnt die Trotzphase mit ca. zwei Jahren. Die Trotzphase ist ein wichtiger Meilenstein in der kindlichen Entwicklung, bei dem die Kleinen gerade die ganze Welt entdecken und erkunden wollen. Ihr Wille ist während dieser Phase unglaublich stark. Gleichzeitig entwickeln sie sich im rasanten Tempo weiter, sind aber nicht in der Lage selbst einzuschätzen, was sie schon können oder nicht. Die Folge: Ständig und mit wachsender Begeisterung stoßen die kleinen Trotzköpfe an ihre Grenzen und werden zunehmend aggressiv. Sie schlagen, sie beißen, sie schmeißen mit Bauklötzen, sie brüllen und werfen sich auf den Boden.
Aggression bedeutet so viel wie Angriff
Derjenige ist aggressiv, der einen anderen Menschen durch beispielsweise Schläge oder durch Worte angreift und verletzt. Wenn Ihre zweijährige Tochter also nach Ihnen schlägt, weil Sie ihr verboten haben, alleine auf die Rutsche zu steigen, dann trotzt Ihr Kind und zeigt erste Aggressionen. Die Situationen, in denen Kleinkinder sich aggressiv verhalten, sind ziemlich unterschiedlich und hängen ganz vom Charakter des Kindes und dem Umfeld ab. Oft lassen Kinder ihre Wut an kleineren Geschwistern aus, weil sie beispielsweise gerade selbst geschimpft wurden. Im Sandkasten werfen sie die Schaufel nach anderen Kindern, weil die den Bagger weggenommen haben oder der kleine Wüterich beißt andere Kindergartenkinder, weil er sich in der Gruppe nicht wohlfühlt. Ist ein Kind aggressiv, dann lässt das eindeutig darauf schließen, dass es unglücklich ist und innere Spannungen und Unruhen hat. Frust, Angst, Unsicherheit, Konkurrenzdruck, große Entwicklungsfortschritte, das alles können Aggressionen in Kindern auslösen. Anders als Erwachsene haben Kinder noch nicht gelernt mit ihren Gefühlen umzugehen, ihre Wut zu zügeln oder zu verbalisieren. Und, Hand aufs Herz: Auch wir Erwachsene haben oft genug unseren Zorn nicht unter Kontrolle und pöbeln gern einmal beim Autofahren herum oder flippen aus, weil die Kollegen nerven. Und tatsächlich gehört die Aggression zu unserem Leben und ist enorm wichtig für unser Gefühlsleben. Jeder erlebt jeden Tag etwas Frust oder Ärger und bevor wir den in uns hineinfressen, sollten wir ab und zu auch mal Dampf ablassen können! Selbstverständlich kontrolliert!
Kinder müssen sich benehmen und gut erzogen sein
Verhalten sich Kinder aggressiv, so ist das in der Gesellschaft nicht gern gesehen. Kinder müssen sich benehmen und gut erzogen sein, so die Meinung vieler. Klar sollen sich Kinder an Spielregeln halten und natürlich ist es nicht in Ordnung, wenn Kinder den Supermarkt niederbrüllen oder andere Kinder verletzen. Dennoch ist ein gesundes Maß an Wut und Aggression gesund. Der Familientherapeut und Bestsellerautor Jesper Juul ist sogar der Meinung, dass die negative Bewertung von Aggression inakzeptabel und kontraproduktiv sei. Er plädiert deshalb in seinem Buch „Aggression - warum sie für uns und unsere Kinder notwendig ist“ (siehe Buchtipp) für einen positiven Umgang mit der Aggression, da die eine ebenso elementare Bedeutung habe wie andere Lebensaspekte und deshalb auf keinen Fall ausgeblendet werden dürfe. Ganz im Gegenteil: Verhält sich ihr Kind dauerhaft aggressiv, so sollten Sie vielleicht überlegen, warum das so ist und wie Sie sich am besten verhalten. Manche Kinder müssen in ihrem Wutanfall unbedingt festgehalten und umarmt werden, denn Körperkontakt beruhigt. Wenn dann wieder etwas Ruhe eingekehrt ist, versuchen Sie in aller Ruhe zu bereden, was gerade falsch gelaufen ist und was man besser machen könnte. Flippt Ihr Kind beispielsweise aus, weil sich der Spielfreund gerade das Auto unter den Nagel gerissen hat, so beruhigen Sie Ihr Kind und machen ihm klar, dass er auf diesem Wege das Auto nicht bekommen wird. Wird Ihr Kind dann ruhiger, so tauschen Sie das Auto zwischen den Kindern aus.
Auch einmal Wutanfälle ignorieren?
Bei anderen Kindern ist es ratsam, den Wutanfall zu ignorieren. Und zwar dann, wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Trotzkopf will dadurch nur Aufmerksamkeit erlangen. In fast allen Streit- und Wutsituationen empfiehlt es sich, das Kind aus der Situation zu nehmen und eine Pause zu machen. Ihr Kind kann sich so beruhigen und lernt außerdem, so kann und darf es nicht weiterspielen. Danach lässt es sich oft leichter in Ruhe reden. Ein ruhiges und konsequentes Handeln ist gerade in diesen Situationen häufig schwierig. Seien Sie nicht enttäuscht von sich, wenn Sie ihr über alles geliebtes Kind in diesem Moment einfach nur extrem nervig finden. Sie sind auch nur ein Mensch, der Gefühle hat und den kleine Wutmonster an seine Grenzen bringen können. Trotzdem: Versuchen Sie ruhigzubleiben und wenn Sie merken, gleich kommen Ihre Aggressionen hoch, dann verlassen Sie selbst für einen Moment die Situation, sammeln sich und handeln dann aber bestimmt. Konsequenzen darf Ihr Kind spüren. Wenn es beispielsweise in einem Zornanfall das Kinderzimmer verwüstet hat, soll es dann auch wieder beim Aufräumen helfen.
Kinder wollen Grenzen gezeigt bekommen
Kinder, die sich aggressiv verhalten, wollen Grenzen aufgezeigt bekommen. Das sieht zwar nicht danach aus, weil der kleine Zornzwerg noch mehr ausrastet, wenn Sie ihm Dinge verbieten. Letztlich aber geben Sie Ihrem Kind durch klare Konsequenz und durch das Aufzeigen von Grenzen viel Sicherheit, die Ihr Kind jetzt am allernötigsten braucht. Mit etwas Kreativität lassen sich ganz besondere Lösungswege finden. Merken Sie zum Beispiel, dass Ihr Töchterlein gerade innerlich brodelt und die Augen vor Wut schon funkeln, dann erlauben Sie ihr die Wut doch einmal rauszuschreien. Schicken Sie sie in einen Raum (Kinderzimmer, Bad oder Ähnliches) und gestatten Sie Ihrer Tochter einen richtig lauten Schrei rauszulassen. So vermeiden Sie, dass aus der Wut eine richtige Aggression wird und gleich jemand anderes den Zorn der Tochter abbekommt. Auch der umgekehrte Weg hilft Ihrem Kind, sich gut und sicher zu verhalten. Gibt Ihr Sohnemann zum Beispiel aus freien Stücken das begehrte Feuerwehrauto ab, so loben Sie ihn und zeigen ihm, wie sehr Sie sich über seine Großzügigkeit freuen.
Der richtige Umgang mit Kindern macht es aus!
Ein richtiges Maß an Aggression ist also gut und wichtig für die Entwicklung unserer Kinder und gibt uns vor allem Aufschluss darüber, wie es dem Kind gerade geht. Natürlich gibt es aber auch hierbei Grenzen. Werden die Wutanfälle immer stärker und häufiger und das Kind immer aggressiver und lässt sich nicht stoppen, so zögern Sie nicht, professionelle Hilfe zu holen. Richtet sich die Aggression immer gegen eine bestimmte Person oder findet sie immer zu denselben Rahmenbedingungen statt, so überprüfen Sie diese. Richtet das Kind die Aggressionen gegen sich selbst, reißt sich Haare aus oder Ähnliches, so fragen Sie Psychologen oder Therapeuten um Rat. Ein guter Umgang mit der Aggression Ihrer Kinder ist entscheidend für die Entwicklung. Letztlich geht es nur darum, dass Sie Ihre Kinder zu glücklichen Menschen machen. Und glücklich ist der, der mit seinen Gefühlen, seiner Wut und seinem Zorn, seinem Glück und seiner Freude umgehen kann. Und wenn ein lauter Schrei dazu mal nötig ist, dann soll es so sein!