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Schule und (Leistungs) Sport unter einem Hut
Wer seine Kräfte beim Sport mit anderen misst, hat auch beim Englischpauken Vorteile.
Wer Babys strampeln sieht, Kleinkinder beim Laufen, Klettern oder Hüpfen beobachtet oder ältere Kinder erlebt, die mit dem Fahrrad durch die Gegend sausen oder sich nach der Schule zum Kicken treffen, begreift schnell: Bewegung ist ein angeborenes Grundbedürfnis. Sich nach einem langen Tag in der Schule mal richtig auszutoben – dazu muss man den Nachwuchs normalerweise nicht überreden. Der Drang, den Körper nach einer Phase des Stillsitzens wieder in Schwung zu bringen, steckt in jedem von uns.
Bewegung baut Stresshormone ab. Ein inzwischen relativ bekannter Effekt: Die Produktion von Adrenalin oder Cortisol wird heruntergefahren, körpereigene Glücksstoffe – die berühmten Endorphine – werden ausgeschüttet. Eltern, die ihre Kinder nachmittags zum Toben nach draußen schicken, wissen, wie sehr unbeschwerte Bewegung den schulischen Druck reduzieren und die Laune heben kann.
Wie wichtig regelmäßige Bewegung im TV- und Computerzeitalter ist, um Übergewicht bei Heranwachsenden zu vermeiden, haben wir schon mehrfach beleuchtet.
Wichtig ist das Elternhaus
Nicht immer sind sich Eltern und Kinder einig darüber, wo die Prioritäten für die Freizeitgestaltung liegen sollen. Zwischen einer guten Talentförderung, den unterschiedlichen Interessen und einer sinnvollen Zeitgestaltung lässt sich nicht leicht abwägen, wie viel Sport zusätzlich in den wöchentlichen Stundenplan hinein soll. Dazu kommt, dass Erwachsene wie Kinder unterschiedlich sind: Wo der eine kaum genug erleben kann, fühlt sich der andere gehetzt und gestresst.
Mehr als andere
Was aber, wenn der Nachwuchs sportliches Talent beweist und von sich aus mehr sporteln möchte, als seine Altersgenossen?
Die Koordination von Schule und Leistungsport erscheint als vertraktes Thema. Der Grund dafür liegt womöglich in dem fast aussichtslosen Versuch, zwei autonome Lebenswelten miteinander zu verbinden. Das Leben eines jungen Leistungssportlers ist geprägt durch tägliches Training, welches mit der Schule koordiniert werden muss und die damit einhergehenden Probleme, eine Balance zwischen den verschiedenen Anforderungen zu finden. Frei nach dem olympischen Motto „citius, altius, fortius“ werden die Leistungsgrenzen im Sport immer weiter hinausgeschoben, was sich meistens dirket auf den nachwuchs auswirkt.
Eine typische Geschichte
Ein Kind bezeichnet Sport als sein Lieblingsfach. In der Freizeit treibt es regelmäßig Sport in einem Verein. Die Eltern begleiten es zu Sportanlässen, übernehmen Betreuungs- und Dienstleistungsaufgaben.
Die Trainings häufen sich, die Wettkämpfe werden von lokalen zu regionalen und nationalen Anlässen. Die Eltern übernehmen damit die Rolle von Gönnern und Sponsoren. Sie sind zudem Materialwart, Koch und Chauffeur in Personalunion. Die Familie dient dem Leistungssport als wichtiges Stützsystem. Das Bekenntnis zum Spitzensport eines Talents bedeutet ein Familienbekenntnis mit Engagement in den Bereichen Zeit, Geld und weiteren Unterstützungsleistungen der Eltern und der Familie. Ein sportlich begabtes Kind erzielt überdurchschnittliche Leistungen und fällt durch sein Können (seine Disposition) und die erhöhte Leistungsbereitschaft auf. Die überdurchschnittlichen Fähigkeiten deuten bei entsprechendem Training eine erfolgversprechende Leistungsentwicklung auf nationalem und internationalem Niveau an. Überdurchschnittliche Leistungen im Kindesalter allein sind keine Gewähr für spätere Spitzenleistungen. Talententwicklung ist ein aktiver, pädagogisch begleiteter Veränderungsprozess, der durch tägliches Training gesteuert wird.
Vereinbarkeit von Schule und Sport
Für heranwachsende Sportbegabte ist es wichtig, dass ihr Umfeld Verständnis für die Doppelbelastung von Schule und Sport hat. Das Umfeld kann wesentlich dazu beitragen, dass Kinder und Jugendliche ihren schulischen und sportlichen Verpflichtungen eigenverantwortlich gegenübertreten. Mit der nötigen Flexibilität der Erziehungsverantwortlichen ist es für die jungen Sportlerinnen und Sportler einfacher, Schule und Training unter einen Hut zu bringen.
Nicht jede schlechte Note bedeutet, dass das Interesse an der Schule nachlässt. Oftmals sind sportlich Begabte sogar trotz mehrmaligem Training pro Woche für die Schule topmotiviert und bewältigen beide Aufgaben nebeneinander problemlos.
Das Angebot an Sport fördernden Schulen hat sich in den vergangenen Jahren erfreulicherweise stark zum Positiven verändert. Wer ernsthaft in eine sportliche Förderung einsteigt, hat die Möglichkeit, in einer entsprechenden Schule aufgenommen zu werden.Als neueste Form dieser Verbundsysteme hat sich in den letzten Jahren die Eliteschule des Sports u. a. aus Partnerschulen des Leistungssports entwickelt. Der Titel wird vom DOSB verliehen und die Einhaltung der dafür notwendigen Kriterien wird in regelmäßigen Abständen vom Selbigen überprüft. Diese Kriterien beziehen sich darauf, dass es klare Regelungen zwischen Schule und Leistungssport gibt, die die Sportler sowohl in ihrer Leistungssport, als auch in ihrer Schulkarriere möglichst optimal unterstützen.
Viele Experten sind der Meinung, dass nur in Verbundsystemen die Möglichkeit besteht, den im modernen Hochleistungssport erforderlichen Trainingsaufwand neben allen Anforderungen zu realisieren
Und wie geht nach der Schule weiter?
Der Abschluss einer Ausbildung ist das Tor zur beruflichen Karriere während und vor allem nach dem Spitzensport. Um Spitzensport und Ausbildung/Beruf optimal zu verbinden, braucht es eine flexible Schule oder einen flexiblen Arbeitgeber. Einen solchen zu finden ist leider oft nicht so leicht.
Eine berufliche Grundbildung mit gleichzeitiger Leistungssportförderung muss gut überlegt und geplant werden. Die Eltern übernehmen auch eine wichtige unterstützende Rolle in der Frage der Berufswahl.
Fazit
Eine leistungssportliche Karriere bringt für die jugendlichen Sportler einerseits oft Schwierigkeiten und Probleme mit sich. Anderseits erleben sie auch besonders befriedigende und glückliche Momente, wie z.B. durch die Überschreitung eigener Leistungsgrenzen, die ihre Altersgenossen in diesem Maße wohl nie kennen lernen werden. Auch hier gilt: „citius, altius, fortius“.
Auszug aus der Ethik-Charta für den Sport:
Ethik-Prinzip im Sport: Sport und soziales Umfeld im Einklang!
Für viele Sportlerinnen und Sportler, die nicht im Rahmen des Leistungssportes ein intensives Trainingsprogramm absolvieren, ist ihr sportliches Engagement, das heisst die Zeit, die für Training und Wettkampf/Match aufgewendet wird, eine Betätigung neben anderen. Junge Menschen stehen in der Ausbildung in Schule, Lehre und Studium, erwachsene Menschen in einer beruflichen oder familiären Tätigkeit, ältere Menschen in Rente. Den vielfältigen Anforderungen dieser unterschiedlichen Lebens- und Tätigkeitsbereiche muss auch im sportlichen Umfeld Rechnung getragen werden. Sportverantwortliche haben nicht nur die Begeisterung für den Sport und die optimale Förderung und Betreuung der Sportlerinnen und Sportler zu gewährleisten, sie sollten auch im Dialog mit den Sportlerinnen und Sportlern ein gesundes Mass nicht aus den Augen verlieren und frühzeitig Beeinträchtigungen anderer Lebensbereiche zum Thema machen. So können die Herausforderungen im Leistungssport im offenen Gespräch gemeinsam gemeistert werden.