1 von 2

Großeltern
2 von 2

Großeltern
Großeltern werden gebraucht. Heute mehr denn je zuvor. Jedes dritte Kind, so der Alterssurvey des Deutschen Zentrums für Altersfragen in Berlin, wird regelmäßig von Oma und Opa mitbetreut.
Auch das Deutsche Jugendinstitut in München bestätigt: Nach Eltern und Kindergarten sind Großeltern die wichtigsten Betreuungspersonen für Kinder unter sechs. Viele Familien können es sich schlicht gar nicht leisten, diese Hilfe auszuschlagen. Aber ist das auch gut für die Kleinen?
Alle profitieren
Auf jeden Fall, beteuern Experten, die viele Vorteile im Supportsystem Großeltern erkennen. Liebevoll bis zur Selbstaufgabe, dennoch niemals gestresst; was Eltern in ihrem getakteten Alltag kaum leisten können, gleichen Oma und Opa mit Zeit, Ruhe und Verständnis aus. Zündstoffe wie unaufgeräumte Zimmer oder schlechte Schulnoten können sie getrost den Eltern überlassen, mit den lieben Kleinen erleben sie die Sonnenseiten der Kindererziehung. „Heute kann ich meine Enkelkinder so richtig genießen“, freuen sich Großeltern. Ohne Zeitdruck und mit Spaß kümmern sie sich, in der Nacht können sie ruhig schlafen. So profitieren alle Familienmitglieder. Die Kinder haben ein vertrautes Umfeld und fühlen sich wohl, die Eltern wissen ihre Schützlinge gut aufgehoben, selbst im Krankheitsfall oder bei Überstunden, die Großeltern bleiben fit und werden gebraucht. Sogar für die Gesellschaft bedeutet die Leistung der Älteren ein Plus: Hilfsbereite Großeltern, das belegen Studien, spielen eine größere Rolle bei der Verwirklichung des Kinderwunsches als jede Unterstützung von staatlicher Seite. Wissen zukünftige Eltern die eigenen Eltern an ihrer Seite, fällt die Entscheidung für ein Kind leichter.
Wichtige Bezugspersonen
Im gut geknüpften Familiennetz sind Kinder die großen Nutznießer. Denn sie profitieren, wenn verschiedene Bezugspersonen ihr Aufwachsen begleiten. Sie erleben, dass es neben ihren Eltern noch andere Menschen gibt, die sie über alles lieben und denen sie voll vertrauen können. Erziehungsberater wissen: das Miteinander von Großeltern und Enkeln weist eine besondere Qualität auf. Diese beiden Generationen verstehen sich oft besser als Kinder und Eltern. Die alltäglichen Reibereien um Pflichten und Rechte bleiben außen vor. Meist sind Oma und Opa eh weniger streng als sie es mit ihrem eigenen Nachwuchs waren. Sie können sich nun zurücklehnen und ganz über ihre Enkel freuen. Und wertvolle Lebenserfahrung weiter geben, mit der so manches Problem plötzlich gar keins mehr ist. Oma hört zu, auch wenn dafür alles andere liegen bleibt. Opa erzählt spannende Geschichten von früher – immer wieder will man hören, wie der Papa als Kind vom Baum gefallen ist oder wie Mama zu Hause Weihnachten gefeiert hat. Niemand kann so leckere Marmelade kochen wie die Oma, mit niemandem macht der Waldspaziergang so viel Spaß wie mit dem Opa, der alles über gesunde Kräuter und giftige Pilze weiß. Enkel brauchen Großeltern, weil sie einfach anders mit den Sprösslingen umgehen als Mama und Papa. Dabei erfahren sie nicht nur alte Geschichten, Bräuche und Tricks, sondern ganz nebenbei auch Rücksicht zu nehmen und andere Ansichten zu akzeptieren. Wenn Opa Mittagsschlaf macht, ist es ganz selbstverständlich, dass alle so lange etwas leiser sind. Weil Oma sich nicht mehr so gut bücken kann, räumt man die Spielsachen eben flugs selbst zurück in die Kiste. Das starke Band zwischen Großeltern und Enkeln wird besonders wichtig, wenn zu Hause Probleme auftauchen, weil Kinder und Eltern ständig streiten oder Mutter und Vater sich trennen wollen. Enkel mit Rückhalt bei Oma oder Opa stehen solche Krisen besser durch. Die dritte Generation, so Familienforscher, sind vor allem auch ein emotionaler Anker in stürmischen Zeiten. Beim Geschichtenerzählen und Marmeladenkochen bleibt es bei den modernen Großeltern allerdings nicht. Während eine Oma früher ein halbes Dutzend Kindeskinder um sich hatte, wetteifern Großeltern heute um die Gunst des raren Nachwuchses. Gesünder, fitter und oft betuchter, sind sie mit ihren Enkeln auf Ausflügen, Urlaubsreisen, im Kino, Museum oder Theater unterwegs. Sie tauschen sich per E-Mail oder Whatsapp aus, gehen ins Fitnessstudio und fahren mit ihren Enkeln auf Rollerblades um die Wette. Sie begleiten die Kleinen nicht nur zur Einschulung, sondern sind auch noch bei der Abitur- und Examensfeier dabei. Kein Wunder, dass nur jeder fünfte Teenager seine Großeltern altmodisch findet. Für die meisten Heranwachsenden bleiben sie ein wichtiger Bezugspunkt. Das beweisen häufige Besuche und Telefonate. Auch Teens und Twens schätzen noch die Zeit und Geduld, die Großeltern für sie übrig haben. Für Geschichten aus der Vergangenheit, Familienanekdoten, Diskussionen über Schule, Studium oder Job.
Regeln für das Miteinander
Wenn sich alle Beteiligten an ein paar Regeln halten, klappt das Miteinander der Generationen, wissen Erziehungswissenschaftler. Die Großeltern sollten sich weder zeitlich noch mit Ratschlägen aufdrängen und die Wünsche ihrer Kinder in Erziehungsfragen respektieren. Die jungen Eltern dürfen ihre Eltern nicht überfordern und sie als ständig verfügbare Babysitter begreifen. Absprachen helfen, Missverständnisse auszuräumen. Zum Glück liegen die Vorstellungen zur Kindererziehung heute so nah beieinander wie zuletzt vor hundert Jahren. Nur fünf Prozent der Großeltern denken laut Generationsbarometer des Allensbach-Instituts ganz anders als die Eltern. Bis ins Kleinste Detail muss der Umgang mit dem Sprössling ohnehin nicht festgelegt werden. Schon Zweijährige können gut unterscheiden, dass bei Mama und Papa andere Regeln gelten als bei Oma und Opa. Dass es unterschiedliche Wege gibt, mit dem Leben umzugehen, erweitert den sozialen Horizont und trainiert Toleranz und Kompromissbereitschaft. Solange Eltern und Großeltern sich in jeder Situation mit Zuneigung und Respekt begegnen, ist das enge Miteinander der Generationen also ein hundertprozentiges Win-win-Geschäft.
Text: Katja von Winzingerode