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Verwöhnen im Kindesalter?
Mit der eigenen Angst vor dem Konflikt schwächt man seinen Nachwuchs – Kinder brauchen Vorbilder, an denen sie sich reiben können
Doch was heißt jetzt eigentlich „verwöhnen“? Wann wird aus Zuwendung Verhätschelung?
Alle Eltern wollen nur das Beste für ihre Kinder und machen, was diese verlangen. Sie erfüllen ihnen jeden Wunsch und verwöhnen die Kinder. Warum Sie Ihrem Nachwuchs damit keinen Gefallen tun, erfahren Sie hier.
Verwöhnung ist kein neuer Begriff, bereits 1922 zeigte der Psychotherapeut und Neurologe Erwin Wexberg in seinem Buch „Verzogene Kinder“ Anzeichen einer verwöhnenden Erziehung auf: Überhäufen mit Zärtlichkeit, überschwängliche Bewunderung für jede Leistung, maßlos auf seine Schönheit und Intelligenz eingebildet zu sein, das Kind all dies merken zu lassen und es zum Mittelpunkt der Familie machen, jeden Wunsch von den Augen ablesen, dem Kind gehorchen und sich von ihm beherrschen und tyrannisieren zu lassen, dem Kind alles abnehmen und ihm gleichzeitig jede Möglichkeit der eigenen Entwicklung zu nehmen.
Thema aktueller denn je
Heute - 88 Jahre später - ist das Thema leider aktueller den je. Beim Thema Verwöhnen denken die meisten an übermäßigen Geld- und Geschenkesegen für das Kind. Doch Verwöhnen ist mehr: Es fängt da an, wo nicht nur die Bedürfnisse des Kindes befriedigt werden, sondern dem Kind jeder Wunsch erfüllt und jedes Verhalten akzeptiert wird. Einem verwöhnten Kind fehlt es an Selbstständigkeit und an Kompetenz im Umgang mit sich selbst und seiner sozialen Welt. Es hat diesen Teil der Entwicklung einfach nicht einüben können. Und so bleibt es auf sein Säuglings-Ich (siehe vorhergehenden Bericht), festgenagelt. Es kann sich nicht selbst regulieren und nicht in Beziehungen einbringen. Es sieht deshalb immer nur seine eigenen Wünsche.
Harte Realität kommt
Wer Kinder in Watte packt, Lernen nur bei Spaß bejaht und wegen einer möglichen Trübung strahlender Kinderaugen nicht Nein sagen oder die Folgen eines unguten Verhaltens nicht zulassen kann, potenziert Unvermögen. Dies wird auf jeden Fall in einem durch Wettbewerb und Leistung geprägten Leben hart für die Betroffenen werden. Denn: „Kinder bekommen zu wenig von dem, was sie brauchen, wenn sie zu viel von dem bekommen, was sie wollen“ so Jugendforscher Prof. Klaus Hurrelmann.
Allerdings ist zugegebenermaßen in der Wohlstandsgesellschaft auch mit bester Absicht schwierig ist, Kinder nicht zu verwöhnen. Diese sehen ja die ganze Fülle reizvoller Objekte um sich herum, in Kaufhäusern, bei Nachbarn, im Fernsehen. Wenn in dieser Situation die Eltern einen Wunsch versagen, so sind sie es und nicht die Umstände, die den Unmut der Kinder auf sich ziehen.
Die Angst vor Konflikten, vor dem Nein sagen, wird in der Erziehung allerdings oft zum Bumerang. Wer Kindern Paroli bietet, setzt sich zwar einem rauen Wind aus, denn Nein sagen kann Tränen hervorrufen. Kinder verstehen es, Druck auszuüben und viele Eltern haben Respekt vor diesem Druck. Wer konsequent erzieht, hat es am Anfang weitaus schwieriger, später aber erleichtern Regeln und Rituale das Zusammenleben. Die Verhaltensregeln werden zur Selbstverständlichkeit. Es ist nicht von der Hand zu weisen, dass, wer Kinder verwöhnt, zu sehr verwöhnt, seine Kinder damit sogar schwächt. Es besteht die Gefahr der Lebensuntüchtigkeit. Jeder Mensch muss lernen, mit Grenzen Frust, Widerständen, Problemen, Stress, Interessendifferenzen und Konflikten umzugehen. Der Aufwand für Auseinandersetzungen, für Konfrontationen macht sich langfristig bezahlt. Durch Verwöhnung werden Kinder zur Lebensuntüchtigkeit verurteilt.
Kurzfristig bequem, langfristig Problem
Eltern können mit Verwöhnung kurzfristig Konflikten und Tränen ausweichen, langfristig werden Konflikte damit immer schwerer lösbar. Verwöhnung ist manchmal der scheinbar bequemste Weg für alle. Eltern müssen für ihre Kinder berechenbar sein. Verzweiflung gehört zum Elterndasein. Schuldgefühle sind daher die schlechtesten Erzieher. Fehler in der Erziehung gehören dazu, schließlich hat noch niemand eine universal gültige Gebrauchsanweisung geschrieben. Fehler machen Eltern menschlich, und ermöglichen den Kindern über ihre Eltern hinaus zu wachsen (so sie eingestanden werden). Kinder dürfen und müssen auch in Bereichen besser sein als ihre Eltern, sonst können sie kein Selbstwertgefühl entwickeln. Der Ehrgeiz fehlerfrei zu erziehen ist und bleibt daher eine Illusion.
Kindern durchaus was zutrauen
Man tut seinen Kindern keinen Gefallen, wenn man ihnen alle Steine aus dem Weg räumt. Schon von Anfang an sollten Grenzen gezogen werden, d.h. nicht jedem Wunsch kann und darf entsprochen werden. Kinder finden sich im Leben viel besser zurecht, wenn sie gelernt haben, dass auch die Bedürfnisse von anderen eine Rolle spielen. Es lohnt sich, seinem Nachwuchs vor Augen zu führen, dass weniger (z.B. Spielzeug) mehr ist. Kindern sollte zugetraut werden, kleine Schwierigkeiten und Streitereien selbst lösen zu können. Das alte Motto: Aus Fehlern lernt man, hat noch nicht ausgedient. Aus dem Grund sei noch mal darauf verwiesen, dass Kinder durchaus Fehler machen dürfen bzw sollen, denn Frustrationen aushalten zu lernen kann durchaus den eigenen Selbstwert erhöhen.
Quelle: verschiedene Studien und Aufsätze zur Familienspychlogie
bzw.Verhaltensethnologie