Nach zwei Jahren Berufsintegration an der Berufsschule Wasserburg:
Pro Arbeit Rosenheim e.V. vermittelt einer ganzen Klasse Perspektiven für die Zukunft

Eigentlich ist eine Zeugnisübergabe am Ende eines Schuljahres nichts Besonderes. Für 14 Schüler an der Berufsschule Wasserburg, die im Landkreis leben und täglich dorthin gependelt sind, ist sie allerdings einer der wichtigsten Momente ihres Lebens. Sie alle kamen vor zwei Jahren mit schwierigen Voraussetzungen an die Schule. Sie sind Flüchtlinge. Einige stammen aus Mali, andere aus Afghanistan, Nigeria oder Eritrea. Als sie an der Schule anfingen, konnten sie noch nicht einmal Deutsch. Heute haben fünf von ihnen erfolgreich die elfte Klasse beendet, neun haben sogar den Mittelschulabschluss erreicht. Die meisten beginnen jetzt eine Ausbildung, alle haben eine Perspektive auf einen erfolgreichen Berufseinstieg.
Kein Wunder also, dass ihnen der Stolz, die Freude und das Glück deutlich anzusehen sind. Sie haben zwei Jahre lang fleißig gelernt und erste Berufserfahrungen gesammelt. Jetzt halten sie ein Abschlusszeugnis in der Hand und beginnen beispielsweise Lehren als Schreiner, Metallbauer oder Kfz-Mechaniker. Andere haben bereits einen Vorvertrag für eine Ausbildung und besuchen das Berufsgrundschuljahr. „Vielen Dank für die Zeit hier, wir haben gut Deutsch gelernt und viele nette Menschen kennengelernt“, sagt Arif aus Afghanistan. Er und seine Mitschüler wissen, dass sie den Abschluss nicht alleine geschafft hätten. Aber die Lehrer der Berufsschule und die Mitarbeiter vom Verein Pro Arbeit Rosenheim haben sie unermüdlich unterstützt.
Alle in Deutschland lebenden Jugendlichen zwischen 16 und 21 Jahren haben ein Recht auf einen Berufsschulplatz. Das gilt auch für junge Flüchtlinge. Bei ihnen sind die Anforderungen aber etwas anders, denn jeder hat einen anderen Bildungshintergrund, alle haben geringe Sprachkenntnisse. „Manche sprechen vielleicht ein bisschen Englisch, andere haben noch nie eine Schule besucht“, erklärt Claudia Romer, die stellvertretende Schulleiterin der Berufsschule Wasserburg. Um den Flüchtlingen eine Integration und einen Einstieg in den Arbeitsmarkt zu ermöglichen, wurde für sie ein Modell der Berufsintegration konzipiert. Sie besuchen dazu zwei Jahre lang die Berufsschule. Im ersten Jahr geht es primär um die Sprachförderung. Im zweiten Jahr absolvieren sie verschiedene Praktika. „In der Hoffnung, dass das in einen Ausbildungsplatz mündet“, so Romer.
Das ist der Klasse, die nun als erste überhaupt das Berufsintegrationsprogramm in Wasserburg beendet, bestens gelungen. Alle wurden vermittelt. Die Erfolgsquote von 100 Prozent ist insbesondere dem Verein Pro Arbeit zuzuschreiben. Er ist der Kooperationspartner der Schule und begleitet die Maßnahme sozialpädagogisch. Die Mitarbeiter stellen oder engagieren Lehrer, die „Deutsch als Zweitsprache“ unterrichten. Außerdem unterstützen sie die Flüchtlinge bei allen Fragen rund um den Beruf.
Hier hat Sozialpädagogin Sandra Pawle ganze Arbeit geleistet. Sie hat die Kontakte eingefädelt, bildet die Schnittstelle zu den Betrieben, hilft bei Formalitäten, ist Ansprechpartnerin für beide Seiten, besucht die Flüchtlinge bei der Arbeit und hat für ihre Sorgen jederzeit ein offenes Ohr. „Ich schaue darauf, dass es den jungen Menschen gut geht und die Betriebe zufrieden sind“, erklärt sie. Das Ziel sei es, Chancen auf dem Arbeitsmarkt zu eröffnen.
Der Verein Pro Arbeit hat auf diesem Gebiet nicht nur langjährige Erfahrung, sondern kann auch auf ein großes Netzwerk zurückgreifen. Bei Flüchtlingen habe die Vermittlung in die Berufswelt allerdings eine ganz besondere Bedeutung, denn Integration gelinge im ersten Schritt über den Spracherwerb, im zweiten über Arbeit.
Die Berufsintegrationsklasse kann also einen Erfolg auf ganzer Linie verzeichnen. Alle 14 Absolventen haben gut Deutsch gelernt und eine berufliche Perspektive für die Zukunft. Auf Sandra Pawle und die Lehrer der Berufsschule warten indes schon die nächsten Flüchtlinge. In diesem Jahr sind es neun Klassen, im nächsten Jahr sollen es schon 15 sein. Auch diese jungen Menschen werden mit schwierigen Voraussetzungen starten. Mit etwas Glück und vereinten Kräften können aber auch sie am Ende voller Stolz ein Zeugnis und einen Ausbildungsvertrag in den Händen halten.