1 von 2

© Viola Ehrig
Urlaub überm großen Teich
2 von 2

© Viola Ehrig
Urlaub überm großen Teich – Elternzeit im Wohnmobil
Verreisen mit dem Baby – Ein Erlebnisbericht der Lust auf Fernreisen mit dem jüngsten Nachwuchs macht
„So, jetzt Kopf gerade halten und nicht lachen.“ Vom Blitz überrascht, reißt Peanut – der natürlich im normalen Leben einen völlig normalen Vornamen hat. Da er aber auf seinem allerersten Bild eher einer Erdnuss glich als einem Baby, trägt er den Künstlernamen Peanut – die Augen auf. Biometrisches Passbild eines Fünfmonatigen – das hat nichts zu tun mit süßen Babyfotos. Die Aufnahme mit dem völlig perplexen Blick ist wahrlich sehenswert und ziert fortan den allerersten Reisepass unseres Sohnes. Die Vorbereitungen zur ersten großen Reise als Familie beginnen: Zwei Monate während der Elternzeit im Wohnmobil durch die USA und Kanada.
Natürlich sind wir aufgeregt, als die Abreise und der erste Flug mit Baby anstehen. Wir kennen die Beliebtheit von kleinen Babys an Bord und sorgen vor: An die Passagiere um uns herum verteilen wir kleine Schokolädchen mit einer dreisprachigen Botschaft, dies sei der erste Flug unseres Kleinen und bitten so mit einem Augenzwinkern um Nachsicht. Schokolade und Babylächeln – damit haben wir alle auf unserer Seite und können entspannt starten. Alle Sorge ist völlig umsonst. Denn Knöpfe, Bildschirm und der Spalt zwischen den Sitzen zum Durchgucken bieten so viel Unterhaltung, dass zum Weinen und Nörgeln gar keine Zeit bleibt.
Unser gigantisches Hotelbett können wir in der ersten Nacht leider nicht lange genießen, der Jetlag hat uns fest im Griff. Aber so können wir Toronto aus einer ganz anderen Perspektive sehen, morgens um vier, fast menschenleer, mit Peanut in der Trage.
Mit der Übernahme des Wohnmobils startet am nächsten Tag unser Abenteuer quer durch die USA und Kanada. Von Toronto aus fahren wir zu den beeindruckenden Niagarafällen. Einer der wenigen großen Touristenmagneten, die wir auf unserer Tour besuchen, denn wir haben uns für Wege abseits der klassischen Reiserouten entschieden. Entlang des Lake Erie fahren wir durch Ohio und Iowa Richtung Westen. Eine festgelegte Route haben wir nicht. So können wir jeden Tag entscheiden zu bleiben, wo es uns gefällt, oder weiterzufahren um Neues zu entdecken – ganz ohne Kofferpacken.
Es stellt sich als unglaublich praktisch heraus, in einem Zuhause auf Rädern unterwegs zu sein. Peanut bekommt Hunger, wir halten an und kochen. Einfach so, auf einer Wiese im Grünen, an einem Hügel mit Panoramablick oder am Ufer eines Sees. Das gemeinsame Nickerchen im Anschluss ist ebenfalls gesichert, denn neben der Küche fährt ja auch das Schlafzimmer immer mit.
Chicago ist Peanuts erste amerikanische Großstadt. Vergnügt beäugt er aus der Trage die glitzernden Wolkenkratzer, bevor es durch die schier endlose Weite des Cornbelts durch Illinois, Iowa und Nebraska geht. Nach viel flachem Land freuen wir uns auf dem Weg nach Colorado über die Rocky Mountains am Horizont. Die Höhenlage des Campingplatzes von 2.800 Metern ist für uns deutlich spürbar, Peanut hingegen lässt sie völlig unbeeindruckt, er krabbelt wie immer fröhlich auf seiner Decke. Auch das ein weiterer Vorteil des Reisens im Wohnmobil. Auf den Campingplätzen kann unser Kleiner draußen spielen und wir abends gemütlich am Lagerfeuer vor dem Camper sitzen.
Wir lernen, mit Baby unterwegs sein heißt, unglaublich schnell mit Einheimischen ins Gespräch zu kommen. So auch in Minnesota. Wir sitzen in einem Café, Peanut spielt das Löffel-Runterwerfen-Spiel. Am Nebentisch eine Gruppe Senioren, die sich am Löffelaufheben beteiligt und nachfragt, was uns denn in ihren kleinen Ort verschlage. Ihr Interesse an unserer Reise ist ebenso groß wie die Freude darüber, Besucher aus Deutschland zu haben. So fährt uns einer der netten Senioren in seinem Auto durch die Gegend und zeigt uns die lokalen Sehenswürdigkeiten. Anschließend trinken wir Eistee und essen selbst gemachten Kuchen im Wohnzimmer seines Bekannten.
In der „most German city“ New Ulm ist die Freude über unseren Besuch sogar so groß, dass wir von der lokalen Zeitung zu unserer Reise interviewt werden und zur Titelgeschichte des New Ulm Journals werden.
Neben den überaus herzlichen Begegnungen mit Amerikanern und Kanadiern sind es gerade auch die einmaligen Momente mit unserem Sohn, die die Reise unvergesslich machen. In Minneapolis macht Peanut seine ersten Schritte – auf einer Brücke über den Mississippi. Für uns einer der Augenblicke unserer Reise, die wir nie vergessen und Peanut wohl bis ins hohe Alter erzählen werden.
Je weiter wir entlang der großen Seen durch Kanada zurück nach Toronto fahren, umso wehmütiger werden wir. Gleichzeitig sind wir aber auch unheimlich glücklich. Das unbekannte Amerika kennenzulernen, zusammen als Familie unterwegs zu sein und zu sehen, wie Peanut täglich neu dazu lernt - ein unvergessliches Erlebnis.