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Emotionelle Erste Hilfe bei Krisen rund um Geburt und Babyzeit
Manchmal läuft es mit einem kleinen Kind ganz anders, als es sich seine Eltern vorgestellt haben.
Krisen, die Besorgnis auslösen, treten oft unerwartet auf. Das können in der Schwangerschaft Ängste, Sorgen, außergewöhnlicher Stress, eine unerwartete Diagnose sein. Das können überwältigende oder besorgniserregende Erfahrungen sein. Vielleicht war die Geburt schwierig oder es kam zu einem überraschenden Kaiserschnitt. Und dann ist das Baby da und vieles ist anders, als es sich die Eltern erträumt haben, wenn ihr Baby sehr viel und untröstlich weint, wenn die Nacht zum Tag wird, wenn die Ernährung Sorgen macht oder sogar zum Kampf wird. Das Baby ist steif und angespannt, vermeidet den Blickkontakt, die Eltern stehen dem hilflos gegenüber, sind erschöpft und verzweifelt. Auch beim Kleinkind kann es zu Krisen kommen, beim Essen, beim Schlafen, wenn sich ein Muster von Ohnmacht oder Machtkampf einschleicht, wenn Aggression, Trotz oder Grenzen zum Problem werden. Besonders schmerzhaft ist für Eltern, dass sie dabei den mühelosen Kontakt zu ihrem Kind zu verlieren scheinen.
Emotionelle Erste Hilfe (EEH) bietet Hilfe bei solchen und ähnlichen Situationen an. Sie fördert und unterstützt eine liebevolle Beziehung zwischen Eltern und Kind in der Schwangerschaft, während der Geburt und in der Zeit danach. Dabei orientiert sie sich am Körper und an der aktuellen Situation. Die Erfahrung dabei ist, dass Entspannung des Körpers den Austausch und die Bindung zwischen Eltern und Baby fördert. Verstehen Eltern ihre eigenen Gefühle besser, macht das wieder neu offen für den Kontakt mit dem Kind. Statt der Suche nach Lösungen nur beim Kind finden die Eltern in sich erneut Halt und Sicherheit, die sie dann an ihr Kind weitergeben können. So gelingt es leichter, ihr Kind liebevoll durch eine Krise zu begleiten. Schmetterlingsleichte Berührungen helfen dem Kind wieder offen für Kontakt zu werden, die Situation kann sich entspannen.
Wie wird in der EEH gearbeitet?
Die EEH-Fachberaterin begleitet Mutter und Baby, am besten zusammen mit dem Vater in Einzelsitzungen in ihrer aktuellen Situation. Die Sorgen der Eltern stehen im Mittelpunkt und gemeinsam schauen sie sich an, wie es den Eltern mit der Situation geht. Das wichtigste Ziel ist, mehr Stabilität zu erreichen. Jeder Vorschlag, jeder Schritt wird erklärt und die Eltern entscheiden, ob sie ihn probieren möchten oder nicht.
Gespräch, der eigene Körper, angenehme Berührung und ruhiges Atmen helfen dabei, den Kontakt zwischen Eltern und Baby zu verbessern. Die Eltern lernen, die Zeichen ihres Körpers zu nutzen, um schwächende Kreisläufe von Angst, Stress, Distanz zu ihrem Kind frühzeitig zu erkennen. Sie probieren Wege aus, aus solchen wieder herauszukommen und überlegen, wie sie die im Alltag umsetzen können.
Wo wird EEH eingesetzt?
Bei hilflosen, verzweifelten Eltern und untröstlich weinenden Babys
- um überwältigende Erfahrungen rund - um Schwangerschaft und Geburt aufzuarbeiten
- bei belastenden Situationen in der Schwangerschaft
- wenn die Mutter in der Schwangerschaft liegen muss
- bei Frühgeburt oder schweren Erkrankungen
- bei Krisen mit dem Baby (Ernährung, Weinen, Schlafen, …)
- bei Krisen mit dem Kleinkind (Ernährung, Schlafen, sehr viele Wutausbrüche …)
Emotionelle Erste Hilfe ist in der Regel eine kurzzeitige Begleitung. Meist können Eltern kurzfristig einen ersten Termin erhalten. Oft ist schon nach einigen Sitzungen eine wahrnehmbare Änderung festzustellen.
Eine innige, tragfähige Beziehung mit ihrem Kind ist der Wunsch aller Eltern. Heute hören und lesen sie viel darüber, wie wichtig der frühe Bindungsaufbau, das Bonding ist. Es gibt viele Nuancen und ständig neue Möglichkeiten, damit das Band zwischen Eltern und Kind wachsen kann. Auch wenn mal eine Chance für den Bindungsaufbau nicht wahrgenommen werden konnte, öffnen sich immer wieder neue Türen. Sie können allerdings den Bindungsaufbau nicht einfach „machen“ oder „bewirken“. Vielmehr geht es darum, günstige Bedingungen für das Wachsen des „zarten Pflänzchens“ Bindung zu schaffen und aufmerksam wahrzunehmen, was gerade passend für die junge Familie ist.
Die Beziehung zwischen Mutter und Kind, auch Vater und Kind beginnt manchmal schon vor der Empfängnis mit der Sehnsucht und der Vorfreude auf das neue kleine Wesen. In der Schwangerschaft sind Mutter und Baby in ständigem Körperkontakt, manchmal bewusst, meist ohne es zu merken. Zwischendurch zur Ruhe zu kommen, die Hände auf dem Bauch, zum Baby hin atmen, hineinhorchen … all dies schafft günstige Bedingungen, vielleicht auch im Arm des Vaters. Das Baby genießt es, wenn es der Mutter gut geht.
Nach der Geburt ist es schön, wenn Sie Ihr Baby nackt auf auf Ihrem Bauch willkommen heißen können und zu dritt Privatheit, Ungestörtheit und Nähe genießen können. Aber auch wenn dies in den ersten Stunden aus irgendeinem Grund nicht möglich war, können Sie das nachholen, in den ersten Tagen, aber auch in den ersten Wochen zu Hause. Verbringen Sie zu zweit oder zu dritt ein Babywochenende gemütlich im Bett, abgeschottet von Telefonaten, Besuchen, Aktivitäten und freuen Sie sich an den feinen Signalen Ihres Babys. Wichtig ist dabei, dass auch Sie sich sehr wohl fühlen, bequem sitzen oder liegen, für sich sorgen. Und auch hinspüren, wann Sie die Nähe möchten und wann Sie etwas Abstand benötigen.
„Slow down, Mama“
Nicht ganz einfach für frisch gebackene Eltern ist es, sich selbst zu spüren und überhaupt wahrzunehmen, wie es ihnen geht und was sie brauchen. So stark ist der Drang, sich dem kleinen Wesen zuzuwenden und für es zu sorgen. Nur – Sie können Ihr Baby ganz anders stützen, wenn Sie auch mit sich selbst im Kontakt sind oder wieder in Kontakt kommen!
Wie gelingt das? Manchmal einfach dadurch, dass Sie in sich hineinspüren, wahrnehmen, wie Sie sich fühlen, ob angenehm, entspannt, oder unangenehm, wenn Sie tief in Ihren Bauch atmen, auch mal Ihren Arm mit der anderen Hand abstreifen …
Ein weiteres wirkungsvolles Mittel ist, langsamer zu werden. Wie schnell versucht sich die junge Mutter fast zu überstürzen, um alles für Ihr Baby zu machen. Aber langsamer werden, langsam beobachten, nicht gleich loszulegen, sondern erst mal kurz abwarten, langsamer mit dem Baby umgehen … all das hilft, sich auf den langsamen Rhythmus des Babys einzustellen und den Faden zum Kind aufzunehmen. Eine weitere indirekte Stütze für den Bindungsaufbau ist das Unterstützungsnetz rund um Mutter und Baby. Jede Hilfe, jedes gute Wort, jede abgenommene Aufgabe schafft gute Bedingungen für die beiden.
Der Aufbau der Beziehung gelingt leichter, wenn Sie früh Hilfen und Anregungen annehmen. Da gibt es viele: die Nachsorge durch die Hebamme, Bindung-durch-Berührung-Kurse, Abende zu verschiedenen Themen, Stillgruppen, Wohlfühltage für Mütter, Tanzen mit Baby, Babymassage, Bindung-und-Autonomie-Gruppen und auch Begleitung mit Emotioneller Erster Hilfe, wenn Sie an einem Punkt sind, dass Sie nicht weiterwissen, vielleicht weil Ihr Baby sehr viel weint oder sehr wenig schläft (www.emotionelle-erste-hilfe.org; www.jungefamilien-rosenheim.de).